Der Wiener Informatiker und Logiker Georg Gottlob ist derzeit Professor an der Universität Oxford sowie am Institut für Informationssysteme der Technischen Universität Wien. Seine Hauptforschungsgebiete sind Datenbanken, Expertensysteme, logische Computersprachen, Medieninformatik, Visualisierung, Technische Informatik, verteilte und parallele Systeme, Computational Intelligence und Wirtschaftsinformatik.
Woran arbeiten Sie zur Zeit?
Derzeit arbeite ich an einer aktuellen Fragestellung der Künstlichen Intelligenz mit Bezug auf Big Data. Die erste betrifft so genannte Wissens-Graphen (knowledge graphs). Wissensgraphen waren zunächst nur große Ansammlungen von Allgemeinwissen (z.T. aus der Wikipedia) , die in standardisierter Form dargestellt werden und abfragbar sind. Bekannt ist z.B. der Google Knowledge Graph oder Wikidata. Es wollen jedoch immer mehr „normale“ Firmen, darunter sogar auch Banken, Versicherungen, sowie mittlere und kleinere Betriebe Wissensgraphen mit eigenem „corporate knowledge“ erstellen, verwalten und abfragen. Hier sind generische Knowledge-Graph Management Systems (KGMS) gefragt, die lediglich mit Wissen (Fakten und Regeln) angefüllt werden müssen, ähnlich wie ein Datenbank Management-System (DBMS) mit Daten (Fakten) angefüllt wird. Genau an so etwas arbeite ich mit meinen Mitarbeitern. Wir bauen ein KGMS, das in seinem Kern Wissen als logische Fakten und Regeln speichern und verarbeiten kann, das daraus Schlussfolgerungen ziehen kann und machine-learning-Programme aufrufen kann und deren Ergebnisse in den Schlussfolgerungsprozess einbeziehen kann.
Was ist für Sie Informatik?
Informatik ist die faszinierende exakte Wissenschaft der Informationsverarbeitung und gleichzeitig eine erfolgreiche Ingenieurwissenschaft, die sich mit der Erstellung und Analyse von Softwaresystemen beschäftigt.
Was sind für Sie Herausforderungen der Gegenwart, bei denen Informatik helfen kann?
Informatik sollte für alle Bereiche Methoden liefern um zu besseren Entscheidungen zu gelangen. Dazu ist machine learning wichtig, aber nicht ausreichend. Wissen muss logisch dargestellt und weitergegeben werden können. „Wenn man Fliegenpilze isst, dann erkrankt man und stirbt womöglich“, sagt der Grossvater zu seinen Enkeln, und gibt damit wertvolles Wissen anderer weiter, das Gott sei Dank nicht frisch erlernt werden muss. Neuronale Netze können vieles, was man oft der rechten Gehirnhälfte zuschreibt, z.B. sehr gut Muster erkennen. Das ist auch, was ein sehr kleines Kind ohne Zuhilfenahme von Sprache kann: Niemand erklärt ihm, wie es seine Mutter erkennen soll und trotzdem erkennt es sie. Eine große Herausforderung der Gegenwart ist es, neuronales machine learning mit symbolischer, regelbasierter Wissensverarbeitung zu kombinieren, um bessere Entscheidungen automatisch treffen zu können.
Was haben Sie in der Auseinandersetzung mit Informatik gelernt?
Dass die Innovationsideen der Praxis oft um Jahrzehnte vorauseilen, und man nicht zu schnell aufgeben soll. Das sieht man auch bei den Neuronalen Netzen. Wie wurde dieser Ansatz doch von der Industrie verlacht. Jetzt will jeder sie plötzlich haben, weil „deep learning“ so erfolgreich ist. Gerade diejenigen, die gesagt hatten „daraus wird nie was“ sind heute ihre fanatischsten Apologeten.
Warum sollten sich StudentInnen für Informatik entscheiden?
Die Informatik ist eine ungeheuer spannende und vielfältige Wissenschaft. Man braucht für dieses Studium ein gewisses Maß an mathematischer Begabung. Hat man die, dann stehen einem viele Möglichkeiten zur Spezialisierung offen, die man je nach Neigung erst im Laufe des Studiums ergreifen kann. Gute StudentInnen sind mathematisch begabt und neugierig. Sie erkennen und entwickeln ihre informatischen Neigungen und Interessen während des Studiums. Sie lernen nicht bloß für’s Zeugnis.
Was fehlt der Informatik in Österreich?
Noch mehr Impulse für Start-Ups, z.B. steuerliche Anreize für Gründer, wie z.B. entrepreneur’s relief in Großbritannien wobei Kapitalertragssteuer für Gründer aus Firmen- oder Anteilsverkäufen auf 10% gesenkt wird.