Justus Piater ist Professor für Informatik an der Universität Innsbruck und stellvertretender Leiter des Instituts für Informatik. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf maschinellem Lernen bei Robotern und interaktiven Systemen.
Woran arbeiten Sie zur Zeit?
In meiner Arbeitsgruppe verfolgen wir das Ziel, Roboter durch Interaktion mit ihrer Umgebung Fertigkeiten und konzeptuelles Wissen lernen zu lassen. Konkret arbeiten wir derzeit daran, dass Menschen dem Roboter konkrete Arbeitsschritte beibringen können, und zwar für flexible Fertigungsprozesse und zum Zerlegen von Elektrogeräten zwecks Recycling. Insbesondere soll der Roboter verstehen, wann welche Arbeitsschritte wie eingesetzt werden können, und woran er erkennt, ob ein Arbeitsschritt zum gewünschten Ziel geführt hat.
Was ist für Sie Informatik?
Informatik ist für mich die Wissenschaft der automatischen Verarbeitung von Information. Dies umfasst die Abstraktion und maschinenlesbare Repräsentation von Informationen in Datenstrukturen; Algorithmen, die Datenverarbeitungs- und Problemlösungsschritte beschreiben; Programmiersprachen zur Erstellung von Code, der automatisch in vom Computer ausführbare Programme übersetzt werden kann; und mehr. Die Informatik ist sowohl eine Wissenschaft für sich als auch eine Werkzeugkiste für Anwendungsprobleme, ähnlich wie die Mathematik.
Was sind für Sie Herausforderungen der Gegenwart, bei denen Informatik helfen kann?
Es gibt eigentlich nichts, wo die Informatik nicht helfen kann. Gegenstände des Alltags, die früher für ihre spezielle Funktion entwickelt wurden – Waschmaschinen, Küchengeräte, Musikanlagen, Autos, Telefone – bauen zunehmend auf generischen Mikroprozessoren bis hin zu vollwertigen Computern auf, wobei die eigentliche Funktionalität durch Software realisiert wird. Informatik ist überall.
Was haben Sie in der Auseinandersetzung mit Informatik gelernt?
Informatik ist schön. Gute Algorithmen haben Eleganz, was etwas mit ihrer Effizienz und kompakter Formulierung zu tun hat, aber nicht dasselbe ist. Guter Code ist elegant, etwa in dem Sinne, dass Programmiersprachkonstrukte effektiv und unmittelbar verständlich eingesetzt werden.
Informatik ist sozial. Die oft kolportierte Vorstellung vom Pizza-essenden Nerd im Kellerloch ist irreführend. Sowohl Anwendung als auch Wissenschaft werden kollaborativ betrieben. Da die Informatik Lösungen in allen möglichen Lebensbereichen bereitstellen kann, ist auch interdisziplinäre Zusammenarbeit von großer Bedeutung.
Warum sollten sich StudentInnen für Informatik entscheiden?
Informatik ist ein spannendes, vielseitiges Studium, das nicht nur die Kerninformatik im engeren Sinne umfasst (z.B. Programmieren, theoretische Grundlagen der Informatik, Algorithmen, Rechnerarchitekturen, etc.), sondern auch Elemente anderer Wissenschaften enthält (Mathematik; möglicherweise ein wenig Physik, Elektrotechnik oder Psychologie). Darüber hinaus gehören Anwendungsfelder der Informatik mit zum Studium. In Innsbruck bieten wir Lehrveranstaltungen in spannenden Gebiete an wie beispielsweise maschinelles Lernen, Computergrafik, autonome Robotik, und technische Datensicherheit (digitale Forensik, Blockchains, Bitcoin).
Wichtigste Voraussetzung ist meiner Ansicht nach Freude an formaler, präziser, abstrakter Beschreibung von Sachverhalten. Wer Spaß an Schulfächern wie Mathematik oder Physik hat, bringt diese in der Regel mit. Der Umkehrschluss gilt nicht unbedingt; die Informatik bietet viel Interessantes auch ohne tiefen Bezug zur Mathematik. Wer mit Mathematik (oder abstraktem, formalem Denken allgemein) absolut auf Kriegsfuß steht, sollte sich jedoch wohl besser bei anderen Studienfächern umsehen.
Was fehlt der Informatik in Österreich?
Am meisten fehlt, denke ich, eine klare Vorstellung davon, was Informatik eigentlich ist. Fächer wie Mathematik oder Physik sind durch die Schule bekannt. Wer sich für ein solches Studienfach entscheidet, weiß etwa, was sie erwartet, auch wenn die Herangehensweise an der Universität sich sehr von der Schule unterscheidet. Woher soll man jedoch wissen, was Informatik ist? Es gibt zwar verschiedentlich Schulfächer mit dieser Bezeichnung, aber viel zu oft wird dort der Umgang mit dem Computer gelehrt (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, …). Damit werden die Schülerinnen und Schüler auf eine falsche Fährte gesetzt, und melden sich möglicherweise mit falschen Vorstellungen zu einem für sie ungeeigneten Studium an. Umgekehrt werden hierdurch talentierte, potenzielle Informatikerinnen und Informatiker abgeschreckt. Das Institut für Informatik der Universität Innsbruck engagiert sich daher sehr stark in der Aus- und Weiterbildung von Informatik-Lehrkräften an Sekundarschulen sowie in der direkten Arbeit mit Schülerinnen und Schülern, und bietet zur Orientierung für angehende Studierende einen Brückenkurs an.