Martin Held – InformatikerInnen-Kurzinterviews

Martin Held leitet das Computational Geometry and Applications Lab und die Abteilung Visual Computing and Multimedia an der Universität Salzburg und forscht überdies an der Stony Brook University in den USA.

Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Algorithmen und Datenstrukturen, insbesondere bei der Algorithmischen Geometrie. Diese Forschung kommt etwa in der Koordination der Bewegungsabläufe von Robotern zur Anwendung.

Woran arbeiten Sie zur Zeit?

Ich lehre und forsche an der Universtät Salzburg, wo ich das „Computational Geometry and Applications Lab“ (und derzeit auch die Abteilung „Visual Computing and Multimedia“) leite. Der Arbeitsschwerpunkt meiner Gruppe liegt im Bereich der Algorithmischen Geometrie, also dem Lösen von algorithmischen Problemen, die geometrischer Natur sind. Anwendungsorientierte Beispiele dafür sind das Bestimmen von guten Werkzeugwegen oder die Entscheidung, ob zwei sich bewegende Objekte während ihrer Bewegung kollidieren. In der Grundlagenforschung beschäftige ich mich seit einigen Jahren mit sogenannten geradlinigen Skeletten („Straight Skeleton“).

Was ist für Sie Informatik?

Informatik ist eine relativ junge Querschnittwissenschaft an der Schnittstelle zu Mathematik und den Ingenieur- und Naturwissenschaften. Dies spiegelt sich auch in meiner eigenen Arbeit wider, welche vom primär experimentellen „Schrauben“ an Code zur Lösung eines praktisch-industriellen Problems bis zu rein mathematisch-theoretischen Überlegungen reicht.

Was sind für Sie Herausforderungen der Gegenwart, bei denen Informatik helfen kann?

Auch wenn es manche Entscheidungsträger und oftmals auch die interessierte Öffentlichkeit vielleicht nicht so sehen, so ist Informatik mittlerweile mit vielen Aspekten unseres tagtäglichen Lebens eng verzahnt. Man denke nur an die aktuellen Versuche zu selbstfahrenden Kraftfahrzeugen. Informatik kann durch gut entworfene oder „intelligente“ Algorithmen viel zur Verbesserung unseres Lebens beitragen, wie etwa im Rahmen der Optimierung des Einsatzes von Ressourcen. Als größte Herausforderungen für die Informatik selbst erscheinen mir einerseits das Garantieren einer entsprechender Sicherheit dieser neuen Systeme, und andererseits eine kritische Selbstreflektion über die eigene Arbeit. Wir sollten uns wohl mehr der Tatsache bewusst sein, dass nicht alles, was aktuell vielleicht schon irgendwie machbar erscheint, relativ zu unserem derzeitigen Wissensstand oder relativ zu gesellschaftlichen Gegebenheiten auch automatisch nutzbringend für unsere Gesellschaft ist. Da derartige Implikationen für Nichtinformatiker oft schwer abschätzbar sind, sehe ich diesbezüglich nicht nur eine Holschuld der Gesellschaft, sondern auch eine Bringschuld von uns.

Was haben Sie in der Auseinandersetzung mit Informatik gelernt?

Wenn ich mir etwas Augenzwinkern erlauben darf, dann würde ich spontan antworten: Demut! Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie sehr sich augenscheinlich einfache Fragestellungen dem eigenen Verständnis entziehen können. Oder wie kompliziert und langwierig es sein kann, Fehler selbst in einem durchaus kurzen Code zu finden und zu beheben, speziell wenn sie auf numerische Probleme in Zusammenhang mit der Gleitkommaarithmetik zurückzuführen sind.

Weiters natürlich Abstrahieren (und Vereinfachen) einerseits, und Verfeinern andrerseits. Ohne diese beiden komplementären Denkansätze geht in der Informatik nicht sehr viel.

Warum sollten sich StudentInnen für Informatik entscheiden?

Es sollte wohl nicht erst seit der MINT-Initative hinlänglich bekannt sein, dass AbsolventInnen der Informatik beste Berufsaussichten haben. Sehr pragmatisch betrachtet ist Informatik also eines von nicht so vielen Studienangeboten, welche es erlauben, eigenen Interessen und Neigungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im späteren Leben im Rahmen einer gut bezahlten Tätigkeit nachzugehen. Etwas weiter gefasst, ist das Beherrschen von Informatik, etwa in Bezug auf Informations- und Kommunikationstechnologien, wohl zu einer basalen Kulturtechnik geworden, gleichzusetzen mit Lesen, Schreiben und Rechnen. Und es spricht vieles dafür, sich diesbezüglich durch eine einschlägige Ausbildung an die Spitze der Wissensgesellschaft zu katapultieren.

Weniger pragmatisch gesehen ist Informatik ideal für mathematisch-technisch Interessierte, da die bereits angesprochene Charakteristik, eine Querschnittwissenschaft zu sein, es automatisch mit sich bringt, dass man im Studium von theoretischen Grundlagen bis zu praktischen Anwendungen in vielen Disziplinen vieles sieht. Und damit vielleicht auch ein besseres Bild von sich selbst und den eigenen Fähigkeiten, Interessen und Neigungen gewinnt. Das Erlernen von analytischem und präzisem Denken erleichtert dann auch den Einstieg in andere Wissens- und Arbeitsgebiete, an welche man vielleicht im Studium noch gar nicht gedacht hatte.

Zu den Voraussetzungen: Es wäre grob irreführend, wenn man nicht klar auf entsprechende mathematische Interessen gepaart mit Fähigkeit zum sauberen formalen Arbeiten und Denken hinweisen würde. Neben diesen unabdingbaren persönlichen Voraussetzungen würde ich mir von den StudentInnen primär „nur noch“ Wissbegierde wünschen. Eine einschlägige Vorbildung erscheint mir hingegen höchst sekundär, vielleicht abgesehen vom oft zitierten Erlernen des „Computational Thinking“ in der Schule. Ich selbst etwa habe mein Technikstudium auf der Basis einer auf Sprachen fokussierten Gymnasialausbildung ohne einschlägige Technikvorbildung begonnen – und dies seit meiner Matura stets als Plus und nicht als Nachteil gesehen!

Was fehlt der Informatik in Österreich?

Es ist sehr bedauerlich, dass in Österreich seit vielen Jahren eine zunehmende Ignoranz gegenüber dem Erwerb von neuem Wissen und neuem Verständnis zu beobachten ist. Diese generelle Geringschätzung betrifft natürlich nicht nur die Informatik. Allerdings färben etwa locker vorgetragene Aussagen von Prominenten, dass sie (fast schon) „natürlich“ in der Schule in Mathematik schlecht waren, auf Mathematik-affine Disziplinen wie die Informatik speziell negativ ab. Konkret auf die Informatik bezogen erstaunt es mich auch immer wieder, dass manche Nichtinformatiker teils überraschend schnell die theoretischen und praktischen Schwierigkeiten informatischer Fragestellungen als „einfach“ abqualifizieren. Hier scheint teils leider immer noch die Informatik als reine Hilfswissenschaft gesehen zu werden.

 

 

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