Als Professor am Institut für Computergrafik der TU Graz beschäftigt sich Thomas Pock mit mathematischen Modellen für Bildverarbeitung und maschinelles Sehen. Seine Forschungen wurden mit den START Preis des FWF und dem Preis der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Mustererkennung ausgezeichnet. 2014 erhielt er einen Starting Grant des European Research Council für seine Forschungen zum maschinellen Sehen. „Der Erfolg des menschlichen Sehvermögens beruht vor allem auf einem sehr effizienten hierarchischen System, welches ich mit meinem Forschungsteam mit Hilfe mathematischer Modelle verstehen, beschreiben und auf praktische Probleme in der Computer Vision anwenden möchte. Unser langfristiges Ziel ist es, Computern das Sehen beizubringen,” beschreibt Pock das geförderte Projekt.
Woran arbeiten Sie zurzeit?
Ich arbeite im Bereich der mathematischen Modelle für die Bildverarbeitung und das Maschinelle Sehen. Primär interessiere ich mich dafür wie man Begriffe wie „Sehen“ und „Bildverstehen“ mit mathematischen Modellen beschreiben kann. Andererseits beschäftige ich mich auch mit der Entwicklung neuer effizienter Algorithmen um diese Modelle auch schnell berechnen zu können. Die Bandbreite an Algorithmen, die wir entwickeln, reicht von klassischer dynamischer Programmierung bis hin zu kontinuierlichen Optimierungsverfahren die Probleme mit Milliarden von unbekannten Variablen lösen können. Auch hochparallele Implementierungen auf modernen Graphikkarten spielen bei uns eine sehr große Rolle.
Was ist für Sie Informatik?
„Mathematik mit Elektrizität“ – um es mit den Worten von Prof. Günter M. Ziegler von der Freien Universität Berlin zu formulieren. Mir persönlich gefällt der Begriff „Computer Science“ besser, da der Ausdruck weiter gefasst ist. Sie ist also die Wissenschaft, die sich mit Rechnern beschäftigt. Das fängt bei formalen Sprachen an und hört beim Chipdesign auf. Informatik hat sich aus den Formalwissenschaften und verschiedenen Ingenieursdisziplinen heraus entwickelt und ist dementsprechend weit gefächert.
Was sind für Sie Herausforderungen der Gegenwart, bei denen Informatik helfen kann?
Ich glaube nicht, dass man die zurzeit wirklichen Herausforderungen des Lebens mit Informatik lösen kann. Solange noch Kinder verhungern und abscheuliche Kriege auf der Welt toben, sehe ich nicht wie Informatik der Menschheit unmittelbar helfen kann. Uns fehlt im Gegensatz dazu sehr oft das Bewusstsein, dass die Informatik auch sehr große Gefahren mit sich bringt. Wir müssen daher sehr vorsichtig mit den „Errungenschaften“ der Informatik umgehen. Denken sie zum Beispiel an die Gefahren aus dem Internet und den sozialen Medien, die für Kinder entstehen. Ich bin selbst Vater von 4 Kindern zwischen 5 und 14 Jahren und bekomme natürlich alle Problem hautnah mit. Die Informatik hat das Leben auch extrem beschleunigt. Sehr viele Menschen können mit dieser Geschwindigkeit nicht mithalten und werden krank. Informatik hat aber natürlich auch das Potenzial unser Leben zu verbessern. Ich denke da an erneuerbare Energien, an bessere medizinische Diagnose- und Behandlungsverfahren, moderne Fertigungsverfahren usw. Die wirkliche Herausforderung dieser und der nächsten Generationen wird es sein, die Informatik zum Wohle unsere Gesellschaft einzusetzen.
Was haben Sie in der Auseinandersetzung mit Informatik gelernt?
Ich habe gelernt, dass wir als Wissenschaftler sehr vorsichtig mit unseren Forschungsergebnissen umgehen müssen. Meistens sind Wissenschaftler so sehr von ihrem wissenschaftlichen Problem fasziniert, dass sie gar nicht an die gesellschaftlichen Auswirkungen denken. Wir handeln allzu oft nach dem Prinzip: „Wir lösen das Problem, weil wir es können.“ Wir müssen aber auch aufpassen, dass wir uns nicht von der Politik und der Industrie instrumentalisieren lassen. Forschung muss frei sein und darf sich nicht an den Agenden von diversen Forschungsförderungs-Organisationen orientieren. Leider wird es immer schwieriger Forschungsgelder für freie Forschung zu bekommen, sodass man immer öfter zum Spielball der sogenannten „Entscheidungsträger“ wird. Mit meinem ERC Grant bin ich momentan in der glücklichen Verfassung freie Forschung zu betreiben, der Großteil der Informatik-Forscher in Österreich kann das aber nicht.
Warum sollten sich StudentInnen für Informatik entscheiden?
Neben den klassischen informatischen Themen ist Informatik im 21. Jahrhundert immer mehr zum Partner anderer wissenschaftlicher Disziplinen geworden. Diese Eigenschaft macht die Informatik natürlich sehr spannend, da man sich als Informatiker häufig mit neuen Fachbereichen beschäftigen kann. Dementsprechend haben Informatik-Studierende ein sehr großes Portfolio an verschiedenen Spezialisierungen in den Studienplänen zur Auswahl. Das macht das Informatikstudium sicher zu einem der spannendsten und aktuellsten Studien in Österreich. Die Universitäten müssen aber auch darauf achtgeben, dass sie nicht bloß zu reinen Ausbildungsstätten verkommen, in denen die Studierenden mit ein paar ausgewählten technischen Fertigkeiten ausgestattet werden. Prof. Gottfried Schatz hat uns in seinem Festvortrag anlässlich der 650 Jahre-Feier der Universität Wien daher zu Recht daran erinnert, dass Universitäten Bildungsstätten und nicht Ausbildungsstätten sein müssen. Unser oberstes Ziel muss es daher sein, Studierende auf ihrem Weg durch das Informatik-Studium so zu begleiten, dass sie später selbst zu verantwortungsvollen Informatikern werden.
Was fehlt der Informatik in Österreich?
Jenes florierende Entrepreneurship, welches man von amerikanischen Universitäten her kennt, ist in der österreichischen Informatikszene sicher noch viel zu überschaubar. Ich würde mir wünschen, dass es jungen Menschen mit guten Ideen sehr viel leichter gemacht wird, zum Beispiel Spin Offs aus den Universitäten heraus zu gründen.
Ich vermisse in der Informatikszene allzu oft eine kritische Auseinandersetzung mit den Gefahren der Informatik. Diese sollten nicht als unangenehme „Artefakte“ einfach weggelassen werden, sondern vielmehr als wichtiger Teil einer verantwortungsvollen Diskussion angesehen werden. Wir als Wissenschaftler müssen uns da selbst an der Nase nehmen und auch lernen „Nein“ zu sagen.