Dringend gesucht: Mehr echter Informatik-Unterricht in Österreichs Schulen

1. Großer Bedarf der Wirtschaft


a) Laut einer Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI) fehlen der österreichischen Wirtschaft aktuell bis zu rund 28.000 Fachkräfte in der Informatik. Davon 12.000 fehlen Unternehmen in der IT-Branche. Dies führt zu einem Wertschöpfungsverlust von bis zu 4,9 Milliarden Euro pro Jahr oder 175.000 Euro pro unbesetzte Stelle*.

b) Der FEPS- Bericht zeigt ebenso schön den Nachteil, den wir gegenüber China und US haben (Foundation for European Progressive Studies (FEPS), 2022. Europe needs High-Tech Talent):

Es braucht keine Digitale Bildung und Anwenderschulung, sondern eine gründliche Informatik-Ausbildung, um aufzuschließen!

2. Digitale Souveränität

Software bestimmt das Leben. Die Österreicher*innen müssen die Software mitschreiben, die hier verwendet wird, da wir sonst mit der Software aus Asien und Amerika auch Werte importieren, die nicht unsere sind und uns der Überwachung anderer bloßstellen.

3. Frauen in der Informatik

Das durch den Medien geprägte Bild der Informatik ist für junge Frauen nicht attraktiv. Wir müssen Mädchen und junge Frauen früh ein attraktives und realistisches Bild der Informatik vermitteln, um nicht auf 50% des Potentials für die Wirtschaft zu verzichten.

a) An den AHSen geht es um 20.000 Schüler*innen jährlich; 85 % davon maturieren (sind also keine Konkurrenz zu HTLs in Österreich – dies ist oft eine Sorge von Direktor:inn:en); 60 % davon sind weiblich, d.h. es geht um 12.000 Frauen!

b) Frauen landen als Sekretärinnen in den IT-Firmen, nicht als IT-Fachkräfte (Aussage Johannes Kopf, Vorstand des AMS, beim IKT-Konvent am 04.10.2023)

4. Ein Grundverständnis der Informatik für alle ist unverzichtbar

Alle Österreicher*innen haben ein Grundverständnis von Physik, Chemie, Mathematik, Sprachen, usw. Eine Managerin ohne Gespür für Zahlen ist in vielen Positionen eine Fehlbesetzung. Ebenso muss jede*r Österreicher*in, egal in welche Position, ein Verständnis der Grundlagen der Informatik mitbringen, damit die Wirtschaft von der Vorzügen deren profitieren kann.

5. Digitale Grundbildung plus 2 Stunden Informatik reichen nicht 

a) UBIT: „Digitale Grundbildung“ nicht genug – Informatik muss Schwerpunkt des neuen Schulfachs werden (27. April 2022, OTS). Eine Analyse des Lehrplans zeigt: nur ca. 15 % der Inhalte des Fachs „Digitale Grundbildung“ sind Informatik. Andere Länder, welche die Informatik in Fächer integrieren bieten mehr Stunden dafür:

b) Euridice-Bericht (European Education and Culture Executive Agency, 2022) zeigt, dass wir in Österreich deutlich Luft nach oben haben (Sek 1 und Sek 2):

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c) In Österreich haben wir in der AHS nur 2 Stunden (!) Pflichtfach Informatik in der 9ten Schulstufe. Es gibt ein Wahlpflichtfach „Informatik“ mit je 2 Stunden in der 10ten bis zur 12ten Schulstufe. In Deutschland sieht man sehr schön: Länder, in denen Informatik explizit als Fach angeboten wird, sind es ca. 36 %, die auch die Vertiefung machen. In anderen Ländern sind es nur 9 Prozent. [Quelle: SWR2 Wissen – Informatik als Pflichtfach. Katja Hanke. 16. Sep. 2023]

6. Die Kosten/Nutzen-Rechnung ist einfach

a) Um einen inhaltlich ausreichenden und motivierenden Unterricht zu gewährleisten sind 6-8 Stunden Pflichtfach bis zur Matura nötig**.  Es geht um knapp über 150 Kompetenzen (welche gesellschaftliche und Nachhaltigkeitsaspekte inkludieren)

b) Ein AHS-Absolvent kostet 10.100 €, BHS 13.700 €***. Mehrkosten für 4 weitere Wochenstunden in der AHS Oberstufe sind rund 1.600 EUR (bei vollen Teilungen wie jetzt) pro Schüler*in. Damit wären die AHS-Absolvent*innen noch immer um 2.000 EUR günstiger als BHS Absolvent*innen! 

c) Österreich fehlen aktuell schon 28 Tsd. IT-Fachkräfte = 4,9 Mrd. EUR Wertschöpfungsverlust = 175 Tsd. EUR pro unbesetzter Stelle****. 

d) Es geht also um 32 Mio. EUR pro Jahr (im Vergleich zu 2,7 Mrd. EUR lt. EU Bericht bis 4,9 Mrd. EUR lt. WKO, pro Jahr, die wir verlieren) 

e) Wenn man den Wertschöpfungsverlust als Basis nimmt, so müsste man durch den ausgeweiteten und daher besseren Informatik-Unterricht nur 183 Schüler*innen (unter 1 %) mehr erreichen, jede*r Schüler*in darüber ist ein Gewinn für die Wirtschaft.

7. Das Fach muss Informatik heißen. 

a) Nur Schüler*innen die Informatik als Fach haben, studieren auch Informatik und landen als Informatiker*innen in der Wirtschaft.

b) Der Digital Education Action Plan 2021-2027 der Europäischen Kommission definiert in der Aktion 10 eine qualitativ hochwertige Informatikausbildung, und sie nennt dort explizit die Informatik als Ziel auf allen Bildungsebenen. 

c) In Bericht vom 16. Dezember 2021 hält der Wissenschaftsrat fest, dass Digitalisierung und Informatik nicht das gleiche sind: “Digitalisierung ist nicht Informatik, aber ohne Informatik gibt es keine Digitalisierung.” (S. 88)

d) Informatik ist…
I. … im deutschen Sprachraum, sowohl in der Schule als auch auf der Universität etabliert.
II. Inhalte sind aus dem Wissenschaftsbereich Informatik
III. Fördert den Anschluss an Hochschulstudien
IV. Internationale Verwendung des Namens Informatik bei Schulfach und Uni Studien
V. Digitale Bildung passt nicht zu Inhalten, ist nicht als wiss. Fach etabliert, ist unscharf

e) Studienentscheidung für/gegen ein Fach. Einflussfaktoren (Dissertation „Einflussfaktoren der Studienwahl und des Studienverbleibs in MINT-Studienrichtungen an österreichischen Universitäten – Verena Mauk, Universität Bremen. 2016“

Das Lehrfach ist von Bedeutung – Namensgebung entscheidend!

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f) Ähnliche Ergebnisse zur Studienentscheidung, siehe Forschungsarbeit (2017) an der AAU Klagenfurt „Kriterien der Studienwahl von Schülerinnen und Schülern unter spezieller Berücksichtigung von IT-Studiengängen an Fachhochschule und Universität“ (L. Krainer et al., https://campus.aau.at/cris/publication/0f4dc44845ae29440145b237d5807049 )


Quellenangaben:

* https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230424_OTS0096/it-fachkraeftemangel-fuehrt-zu-wertschoepfungsverlust-von-49-milliarden-euro-im-jahr.
** LP-Entwurf der BMBWF Entwicklergruppe 2023, welcher dem Informatics4All Framework folgt
*** Nationaler Bildungsbericht 2021, S. 197
**** https://news.wko.at/news/oesterreich/it-fachkraeftemangel-fuehrt-zu-wertschoepfungsverlust-von.html; https://brutkasten.com/artikel/fachkraeftemangel-it-oesterreich